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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1:

Die Geschichte des Schotthocks

KAPITEL 2:

Das Leben im Schotthock

KAPITEL 3:

Es ist lange her

KAPITEL 4:

Die Bauern

 

KAPITEL 7:

Gemeinde im Schotthock

 

Der Schotthock in der NS-Zeit

In einem Buch wie diesem darf auch die Zeit nicht fehlen, die mancher von uns nicht in guter Erinnerung hat. Wenn ich in den folgenden Texten etwas wiedergebe, dann so, wie ich es in alter Lektüre oder aus Gesprächen mit älteren Leuten erfahren habe. Ich habe versucht, es objektiv wiederzugeben, um diese Zeit zu beleuchten, wie sie etwa mit den Augen eines einfachen Arbeiters aus dem Schotthock gesehen wurde. Ich möchte auch nicht die Vorgänge weglassen, die zur damaligen Zeit zum Tagesablauf gehörten, aber aus der heutigen Sicht in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Als 1929 die Börse in New York zusammenbrach, war das Arbeitslosenheer in Deutschland riesengroß. Die alten politischen Parteien konnten in der schweren Zeit keine Hilfe bringen. Was war naheliegender, als eine neue Partei zu wählen, die in ihrem Programm gerade dem Arbeiter eine bessere Stellung im Volk versprach. Trotzdem mußte die NSDAP aber mit einer anderen Partei fusionieren, wollte sie in Rheine tonangebend werden.

23 Es dauerte aber bis 1933, daß die NSDAP an die Macht kam. Viele junge Leute, aber auch Ältere, wissen nicht, daß in Rheine bei den Kommunalwahlen im März 1933 die NSDAP nur 20% der Stimmen bekam. Auch im Schotthock wählten die Bürger mit dem gleichen Stimmenanteil von 20% die NSDAP Die Zentrumspartei bekam im Schotthock fast 40% und die Liste „Alles für Rheine" fast 23%. Auf die SPD entfielen 13%, auf die KPD 7%. Die Sitzverteilung im Rathaus sah danach wie folgt aus:

  • NSDAP 7 Sitze
  • Sozialdemokraten 2 Sitze
  • Kommunisten 2 Sitze
  • Zentrum 12 Sitze
  • Alles für Rheine 10 Sitze

Zu der ersten Stadtverordnetenversammlung am 30. März 1933 waren die beiden Vertreter der Kommunisten nicht erschienen, da man sie vorher verhaftet hatte. Der Stadtverordnete der Sozialdemokraten, Thesing, hatte auf sein Mandat verzichtet, während der Stadtverordnete Roters als städtischer Arbeiter für die Versammlung nicht freibekam. Da die Zentrumspartei nicht mit der NSDAP zusammengehen wollte, blieb nur eine Fusion mit der Liste 22 „Alles für Rheine" übrig. Und so kam es dann auch. Die NSDAP fusionierte mit der Liste 22 und nannte sich „Nationale Arbeitsgemeinschaft, NAG". Kurze Zeit später traten die Mitglieder der Liste 22 zur NSDAP über. Mit ihrem Übertritt war die NS-Herrschaft in Rheine ermöglicht.

Es gab in der Stadtverordnetenversammlung auch Leute aus dem Schotthock. Von der NSDAP waren zwei Personen, vom Zentrum zwei und von der Liste 22 war eine Person vertreten. Sie alle haben damals gehofft, daß die neuen Machthaber zum Wohle des deutschen Volkes arbeiten würden.

In der Folgezeit waren immer mehr Bürger von der NS-Weltanschauung begeistert und schlossen sich den einzelnen Verbänden der NSDAP an. Wie begeistert viele waren, zeigen Verse auf den Führer und das Vaterland, die nicht von hohen Parteifunktionären geschrieben wurden, sondern von einfachen Werktätigen. Hier ein solches Gedicht aus dem Jahre 1935:

    24 Der neuen Werkszeitung zum Geleit

  • Wir haben erlebt, wie in Schande und Schmach
  • Ein mächtiges Volk seinen Schergen erlag.
  • Wie Hader und Zwietracht uns hatten entzweit,
  • Das Deutschland der Stärke geknechtet, entweiht.
  • Ein Führer erstand uns, er führte zur Tat
  • Entschlossene Männer, sie säten die Saat
  • Des neuen Geschehens in unseren Landen.
  • Die Kämpen der Stirn und Faust sich verbanden.
  • Da wollen auch wir nun, zu kämpfen bereit,
  • vergessen den Hader vergangener Zeit,
  • Gefolgschaft und Führer sich reichen die Hand
  • Im Kampfe ums Dasein, wir schließen ein Band,
  • Das fest uns verbindet, im Schaffen, im Scherz,
  • Das stets überwindet den trennenden Schmerz,
  • Und dieses furch außen hin sollen beweisen
  • Von nun an der Werkszeitung Verse und Weisen.
  • All das, was an kleinem Geschehen wir schauen,
  • In unsere Zeitung hinein wir es bauen.
  • In ihr woll `n wir all das zusammen erleben,
  • Was immer wir möchten den anderen geben.
  • Nur muß es hübsch sachlich, bescheiden auch sein,
  • Erhalten das immer, was Freude bringt ein.
  • Dann glaube ich, wird es schon sehr bald gelingen,
  • Daß unsere Werkszeitung allen wird bringen,
  • Was allzeit von ihr wir erhoffen, erstreben:
  • Die Feierstunde im täglichen Leben.

Und so geht es auf den folgenden Seiten weiter: Lobeshymnen auf den Führer und seine Gefolgschaft sowie Propagierung der neuen Weltanschauung. Wenn man in den damaligen Ausgaben der Werkszeitung liest, bekommt man den Eindruck, daß diese neue Partei einfach gut sein mußte.

Auf der gleichen Seite, auf der die oben stehenden Verse abgedruckt sind, wird die Weltlage nicht sehr rosig dargestellt: Krieg in Abessinien, die Abschneidung der Ölzufuhr nach Italien, drohender Krieg zwischen China und Japan und Revolution in Südamerika.

Auf der nächsten Seite dann folgender Text:

„In Deutschland aber spricht das Herz. Hier sucht man nach Menschen, denen geholfen werden muß. Man sucht nicht nach Feinden, die man erledigen will; man stöbert den ärgsten Menschenfeind, den Hunger, auf und sucht den Frust, den Feind des Volkes, zu schlagen. Das ist, wie unser Führer sagt, Deutschlands Eroberungsfeldzug! Das ist unser Krieg!"

Das hört sich doch wirklich gut an! Wie kann man gegen so eine Partei eingenommen sein, geschweige denn, öffentlich dagegen auftreten? Viele waren der Ansicht, daß die schlechten Jahre nun vorbei seien. Ging es nicht unaufhaltsam aufwärts?

Allmählich traten die einzelnen Verbände der NSDAP immer mehr in das Bewußtsein der Bürger. Vor allem die „Arbeitsfront" machte einen großen Eindruck auf die werktätigen Menschen. Von der Schönheit der Arbeit lesen sie da, von der Gleichwertigkeit der denkenden Arbeit und der Arbeit hinter dem Pflug und an der Maschine. Das alles wurde durch die NS-Propaganda sehr gut „verkauft". Im übrigen waren die meisten Leute froh, daß nun einer da war, der sie führte. Karikaturen wie die vom Marsch ins Massengrab nahm keiner ernst. Fast jeder betätigte sich in einer Organisation der NSDAP.

Hier die wörtliche Wiedergabe eines Berichtes aus dem Jahre 1936 über das Sommerlager des Fähnleins „4/205, Schotthock":

„In den Zeltlagern der H.J. kennt der Pimpf kein träges Nichtstun; in Sonne, Luft und Wind soll er sich nicht nur erholen, sondern sich darüberhinaus körperlich und weltanschaulich schulen. Diese Zeltlager sind Stätten politischer Schulung, sie sind keine Plätze für Schwärmer und Muttersöhnchen. Hier lernt der Pimpf wahre Kameradschaft und Verantwortungsgefühl kennen. Steht der Pimpf einmal nachts auf Wache, dann fühlt er, daß er höchste Verantwortung in sich trägt, und die Pflicht gebietet ihm, wach, nur wach zu bleiben und zu spähen, ob kein Fremder das Lager betritt, um das Heilige und Höchste, die Fahne und gleichzeitig seine Ehre zu rauben.

Um die Pimpfe in diesem Sinne zu schulen, hatten wir uns im Fähnlein 4/205 entschlossen, ein Lager aufzuziehen. Nachdem die Firma uns freundlicherweise Urlaub gegeben hatte, konnte es nach wochenlangen Vorbereitungen losgehen. Bei einem Bauern in Bergeshövede kamen wir in einer Scheune unter. Außerdem standen uns ein großes Zwölferzelt als Wachzelt und ein Viererzelt als Kommandozelt zur Verfügung.

Am Samstag, dem 31. Juli 1936, war es dann so weit, daß wir mit unseren Jungs einrücken konnten. Ein Vorkommando hatte alles vorbereitet, und wir konnten gleich nach dem anstrengenden Fußmarsch eine kräftige Linsensuppe zu uns nehmen. Anschließend wurden vom Lagerleiter die Lagerordnung und die Wachvorschriften verlesen und ausgehändigt. Hier der Tagesablauf:

6 Uhr: Wecken durch Signal. Nun wird es oben auf den Strohballen lebhaft. 43 Pimpfe versuchen über die Leiter, die vom Boden heruntergeht, nach unten zukommen. DerFührer vom Dienst, der übrigens nur dem Lagerleiter untersteht und jeden Tag wechselt, läßt antreten. Dann folgt 20 Minuten Frühsport. Im Dauerlauf geht es über Wiesen und Äcker, und anschließend werden Freiübungen gemacht. Mit einem zackigen Lied marschiert alles zurück. Nun fängt, wie man zu sagen pflegt, der Ernst des Lebens an. Man wäscht sich, baut die Betten, putzt die Schuhe und ordnet die Kleider, damit beim Appell alles tadellos in Ordnung ist. Anschließend folgt die Fahnenhissung. Unter einem Fahnenspruch, der für diesen Tag entscheidend ist, steigt die Fahne empor. Gleichzeitig tritt der Posten vor, um während des ganzen Tages vor der Fahne Wache zu halten. Dann essen wir zu Mittag. Nach dem Mittagessen rücken zwei Züge zum Geländedienst aus. Beim Geländedienst gibt es dann manchmal eine lustige Keilerei, oder das Lager wird überfallen. Wenn die Wachmannschaft nicht aufpaßt, kann es vorkommen, daß ihr Wachzelt am Boden liegt und wieder neu aufgebaut werden muß. Am Abend, um 19 Uhr, versammeln sich wieder alle zum Abendessen. Anschließend folgt dann immer der Heimabend, der auch von Leuten der Umgebung besucht wird. An einem dieser Heimabende wird dann auch der Lagerzirkus veranstaltet. Der Lagerzirkus ist einer der Höhepunkte in unserem Lagerleben. Beim Sonnenuntergang wird die Fahne eingeholt, und anschließend, gegen 21.30 Uhr, bläst unser Hornist August den Zapfenstreich. Bald hört man vom Boden lautes Schnarchen, das anzeigt, daß alle im Reich der Träume sind. Tiefe Dunkelheit hüllt das Lager ein; nur hin und wieder hört man einen Hund bellen und die nahe Kirchenuhr schlagen.

So gingen die Tage schnell dahin. Man sah es den Pimpfen an, wie ihnen die frische Luft gut tat und wie sie auflebten. Zu schnell ging die Zeit vorbei, und der letzte Tag war gekommen. Nach dem Frühstück begann alles mit der Säuberungsaktion, wollten wir doch den Lagerplatz und das benutzte Gelände in einem sauberen Zustand verlassen. Dann dankte der Lagerleiter dem Bauern Gahrmann für die liebenswürdige Aufnahme. Danach wurde feierlich die Fahne eingeholt. Um 13 Uhr rückten 43 Pimpfe mit ihren Führern zum Rückmarsch ab, um nach drei Stunden Marsch den Schotthock zu erreichen. Alle hatten wohl den Gedanken, ein großes Erlebnis hinter sich zu haben".

Aber nicht nur in Bergeshövede, sondern auch in Listrup, Uffeln und Haldem fanden im Jahre 1936 H.J.-Lager statt. In Burgsteinfurt wurde ein B.D.M.Freizeitlager für Mädchen durchgeführt.

Betriebssport der Lehrjungen bei Herm. Kümpers

Wie man sieht, wurde sehr viel für die jungen Leute getan. Damals konnte man noch nicht ahnen, daß diese Lager schon eine Vorstufe zur militärischen Ausbildung waren. Auch die ideologische Schulung war von großer Wichtigkeit.

Im Juni 1936 bekam die Firma Hermann Kümpers das Leistungsabzeichen der Deutschen-ArbeitsFront für vorbildliche Berufserziehungswerkstätten. In der DAF waren fast alle Betriebsangehörigen vertreten. Im Berufswettkampf stellte die Fa. Hermann Kümpers mehrere Gau- und Landessieger. Diese wurden in einem feierlichen Appell vorgestellt und meist mit Sonderurlaub bedacht.

Viele dieser jungen Leute gingen auch zu Schulungen der NSDAP und wurden so mit dem Gedankengut der Partei weiter vertrautgemacht.

Anerkennend sprach man in jenen Jahren von der Organisisation KdF - „Kraft durch Freude". Die KdF-Angebote waren in der Tat sehr vielseitig. Früher standen die Bewohner ländlicher Gegenden, wozu der Schotthock ja auch wohl zählte, ohne ein Kulturprogramm da.

Nun aber fuhr der Reichstheaterzug im Namen von KdF durch die deutschen Lande und spielte etwa in Rheine, im Saale der Gebr. Elpers, die Komödie „Lotse an Bord". Außer kulturellen Veranstaltungen wurden von KdF viele Sportarten angeboten. Vor allem aber wurden dem arbeitenden Menschen Ausflugsfahrten in die nähere und weitere Umgebung ermöglicht. Bis dahin hatten viele Arbeiter ihr Städtchen noch nicht verlassen, denn Urlaub und Erholung waren bei unseren Eltern und Großeltern nicht an der Tagesordnung. Nun ging es mit KdF nach Norwegen, zum Reichsparteitag nach Nürnberg, drei Tage zum schönen Rhein, eine Woche ins Edertal, zu der Ausstellung „Schaffendes Volk" nach Düsseldorf, zur Handwerksausstellung nach Berlin, in die Allgäuer Alpen oder zum Forellenfang ins Okertal im Harz; Fahrten mit der „Wilhelm Gustloff 'führten gar nach Italien! Und noch viele andere Aktivitäten wurden von KdF in der Zeit von 1933 bis in die Kriegszeit veranstaltet.

War KdF mehr für die Erwachsenen gedacht, so fanden die jungen Menschen, wie schon der obige Bericht über das Lager in Bergeshövede zeigt, in der Hitlerjugend ein abwechslungsreiches und auch weites Betätigungsfeld. Schon 1936 fuhr ein Schotthokker Junge zu einem Segelfliegerlehrgang für 14 Tage auf die Insel Sylt. Zwei Jahre später fährt W.P. zu einem Kursus in die Reichssegelflugschule auf der Wasserkuppe (Rhön). In der Werkszeitung schildert er seine Erlebnisse, die von vielen anderen Hitlerjungen begeistert gelesen wurden. Was lag näher,als sich auch so einer Organisation anzuschließen. Ob nun der Kraftfahrzeuggruppe, der Segelfliegerabteilung, der Sportabteilung, der Tanzgruppe, dem Reichskolonialbund oder der Schießgruppe. Großer Beliebtheit erfreuten sich die vielen Fahrten, z.B. nach Schlesien. Überall strömten die jungen Leute in die Gliederungen der NSDAP. Oft waren die Eltern gegen einen Eintritt in die Hitlerjugend; aber nicht, weil sie der neuen Ideologie nicht positiv gegenüberstanden, sondern weil die Jungen und Mädchen dann bei der Haus- und Feldarbeit fehlten. Die Zeit, wo Kinder ihre Eltern anschwärzten, kam erst viel später.

Lehrmädchen 1938 beim Betriebssport

Doch nicht nur Positives fand man in den Zeitungen der damaligen Zeit. Um Fürsprecher für das Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses zu bekommen, erschien ein Artikel über Erb- und Rassenpflege im Ausland. Dieser Artikel hätte bei denkenden Menschen eigentlich Bestürzung hervorgerufen haben müssen. Da wird anschaulich berichtet, wie in Norwegen, Schweden, Finnland Polen, Rumänien, in der Tschechoslowakei, der Schweiz, in England und den USA Gesetze in Vorbereitung sind oder schon angewandt werden, die die Sterilisation von Schmarotzern, Geisteskranken, Geistesschwachen und Verbrechern vorsehen. Daß solche Berichte vielleicht erste Anzeichen der in Deutschland geplanten Euthanasie sein könnten, hat wohl kaum einer der Leser erkannt oder wahrhaben wollen. Auf der gleichen Seite der Werkszeitung schreibt ein Schotthocker ein Gedicht mit dem Titel:

    „Des Lebens Ernst"

  • Ernst ist das Leben und soll es auch sein,
  • Im Kampf um Freiheit und Brot steht keiner allein.
  • Wo Arbeitsgemeinschaft Werte schafft,
  • Gibt Schicksalsgemeinschaft uns innere Kraft.
  • Mögen Not und Sorgen noch so uns drücken -
  • Aufs Ganze schau mit festen Blicken,
  • Denn Hitler regiert -
  • Und Deutschland marschiert.

Haben die Werksangehörigen diese Seite der Zeitung damals wohl kritisch gelesen?

Leistungsabzeichen im Berufswettkampf

 

Leistungsabzeichen für Heimstätten und Wohnen

Die Sieger im Reichsberufswettkampf: Heinz Prinzmeyer, Elisabeth Göcking, Else Benning und Hermann Köster

 

Nach massiver Warnung vor der Roten Gefahr aus dem Osten, nach einem Bericht über die Besetzung des Rheinlandes und der Forderung nach Rückgabe der deutschen Kolonien erscheint ein Gedicht eines weiblichen Lehrlings des Betriebes Hermann Kümpers, überschrieben

  • „Heil dem Führer"!
  • Ihr Jungen und Mädel der neuen Zeit:
  • Adolf Hitler sei euer Herz geweiht!
  • Ihm, der auch für euch gelitten, gerungen,
  • Sich selbst und die Welt seiner Feinde bezwungen.
  • In Not und Bedrängnis und Kerker gestählt,
  • Von flammender Liebe zu Deutschland beseelt,
  • Entwandt er das Volk der Vernichtung Raub,
  • Er riß es empor aus Verachtung und Staub.
  • Sein Weg war ein Kampf durch Verkennung und Hohn,
  • Uni die Ehre und Freiheit der deutschen Nation!
  • Und Gott gab ihm unüberwindbare Stärke
  • Zu seinem großen und heiligen Werke!
  • In Dörfern und Städten, in allen Gauen
  • Rief er die Männer, rief er die Frauen,
  • Rief er die Jugend, der Zukunft Grund,
  • Zu einem neuen heiligen Bund.
  • Er ist von Gott uns als Führer gesandt;
  • Hell steht sein Stern über deutschem Land.
  • Es wird leben und nicht sterben!
  • Er lebt ihm und dient ihm! Für uns und die Erben!

 

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Der Anschluß Östereichs an das Deutsche Reich wird Jamit gerechtfertigt, daß Österreich schon immer Jeutsch gewesen sei. Daß dadurch aber der Weltfrie,len in Gefahr geraten war, wird mit keiner Zeile rsti-ähnt. Auch der Anschluß des Sudetenlandes an .las Deutsche Reich wird kommentiert mit der Über„ hrift „Heim ins Reich". Daß diese Maßnahme aber j ine der letzten Machtproben gegenüber England arid Frankreich war, konnte zu der Zeit keiner wissen.

Bedenklich stimmt auch ein Beitrag mit der Überehrift: „Sozialismus der Tat", erschienen in Heft Nr.8 im Jahre 1938:

..Siebzig Kinder unserer Gefolgschaftsangehörigen .~. erden auf Kosten der Betriebsführung gespeist. Da 20 Wochen die Speisung durchgeführt wird, nehmen von unserer Firma in den ersten 10 Wochen 35 Kinder vom Esch teil, während der anderen 10 Wochen werden 35 Kinder von Kümpersdorf berücksichtigt."

„Kinderspeisung" in einer Zeit, die von Euphorie und dem Gedanken der Volksgemeinschaft geprägt war, verstehe ich nicht. Waren die Löhne so schlecht, daß die Mütter ihren Kindern kein ausreichendes Mittagessen auf den Tisch bringen konnten? Oder war die ganze Aktion nur Propaganda der Betriebsführung? Ich verstehe den Zusammenhang nicht.

Nach der Ermordung des deutschen Gesandtschaftsrates von Rath in Paris im Jahre 1938 und der anschließenden „Reichskristallnacht" hätte eigentlich jedem Schotthocker klar geworden sein müssen, was mit den Juden geschehen würde. In der Werkszeitung vom November 1938 steht es schwarz auf weiß:

„Wenn diesmal die Maßnahmen hart sind, so doch, wie immer, maßvoll, und wir möchten wünschen, daß das Judentum jetzt endlich erkennt, daß in absehbarer Zeit Deutschland judenfrei gemacht wird, zum Wohle des deutschen Volkes."

Es ist eigenartig, wie sich die nationalsozialistische Presse einen Monat vor dem Überfall auf Polen äußert. Mit dem Bild der Hünenburg und einem Heldengedicht eines Schotthockers unter der Überschrift „Und ihr habt doch gesiegt", gemeint sind die deutschen Soldaten des ersten Weltkrieges, wird die Unbesiegbarkeit der deutschen Soldaten dargestellt. Dann folgen auf den nächsten Seiten Berichte über heldenhafte deutsche Soldaten des 1. Weltkriegs, auch über einige aus dem Schotthock. Auf den letzten Seiten der August-Ausgabe werden dann die Gefallenen des 1. Weltkrieges der Firma abgebildet. Sollte man sich schon an die Gefallenen des 2. Weltkrieges gewöhnen?

An der Septemberausgabe kann man nicht erkennen, daß sich Deutschland mit Polen im Krieg befindet. Außer einem Bild mit Adolf Hitler an der Front deutet nichts auf einen Krieg hin. Aber an den Durchhalteparolen kann man erkennen, daß die Zeit sich geändert hat: Keine Gedichte mehr auf Führer, Volk und Vaterland. Die neuen „Gedichte" sehen jetzt so aus:

„Daß das deusche Reich und Volk in diesen Krieg mit unzerstörbarer Einigkeit hinein- und ebenso aus ihm herausgehen soll, sei unser aller Schwur. Darin liegt die höchste Aufgabe für die nationalsozialistische Bewegung. Wer sich den Gemeinschaftsanforderungen widersetzt, sich aus der Gemeinschaftsleistung entfernt, oder wer glaubt, sie gar sabotieren zu können, wird dieses Mal unbarmherzig vernichtet."

Wenn man diese Aussage Adolf Hitlers wörtlich nimmt, dann wird jeder vernichtet, der nicht bereit ist, da mitzumachen, wo sein Platz ist.

Ab 1940 werden die Werkszeitungen sehr eintönig. Es erscheinen kaum noch Berichte vom Schotthock oder aus der engeren Heimat. Geprägt wird die Zeitung von Feldpostbriefen der Soldaten und von der Verherrlichung der deutschen Wehrmacht. Besonders fallt auf, daß alle Soldaten auf einen baldigen Frieden hoffen. Erster Gefallener aus dem Schotthock ist am 9. September 1939 Adolf Bröker. In den nächsten Jahren wurden die Gefallenen immer zahlreicher, so daß nicht mehr jeder eine eigene Todesanzeige bekam. Sie wurden aufgelistet mit der Überschrift:

Es starben für Führer, Volk und Vaterland.

  • Heinrich B.
  • Bernhard Sch.
  • Paul H.

Zu der Parole: „Für Führer, Volk und Vaterland" erzählte mir eine Schotthockerin folgende Geschichte:

Als in den Kriegsjahren die Todesmeldungen eintrafen, wurden sie meistens von Parteifunktionären der NSDAP überbracht. So einen Funktionär gab es auch im Schotthock. Die Leute hatten keine gute Meinung von ihm, da er ein echter Nazi war. Wenn ein Soldat gefallen war, zog er seine Parteiuniform an und überbrachte den Angehörigen die Todesnachricht. Mit einem zackigen „Heil Hitler" tauchte er auf und sagte den Angehörigen, daß ihr Sohn oder Mann „Für Führer, Volk und Vaterland" gefallen sei. Viele sahen seinem Auftreten mit Grauen entgegen. Denn sie wußten: Wenn er auftauchte, war es kein gutes Omen! So geschehen bei einem Schotthocker Bauunternehmer. Als dieser den Vertreter der Partei kommen sah, wußte er schon, was der ihm zu berichten habe. Schon von weitem rief er ihm zu: „Wenn du bie mie up en Hoff kümms, stiärk ick die dee Mäsforke inne Mäse"!

Daß der Bauunternehmer erregt war, weil er seinen Sohn verloren hatte, hätte dieser Funktionär ihm eigentlich zugutehalten müssen. Trotzdem hat er aber den Vater bei der Parteileitung angeschwärzt. Die Folge war, daß der Mann noch als Flakhelfer eingezogen wurde. Sein Geschäft mußte geschlossen werden und hatte dadurch nach dem Krieg einen schweren Start.

Zahlreiche Bombenangriffe hatte der Schotthock in den letzten Kriegsjahren zu überstehen. Der schwerste war der am 20.Januar 1945. Im folgenden Bericht wird er ausführlich beschrieben.

WEITER: Bomben auf die Firma Hermann Kümpers