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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1:

Die Geschichte des Schotthocks

KAPITEL 2:

Das Leben im Schotthock

KAPITEL 3:

Es ist lange her

KAPITEL 4:

Die Bauern

 

KAPITEL 7:

Gemeinde im Schotthock

 

Die Geschichte des Schotthocks

Nachdem die riesigen Gletscherfelder geschmolzen waren, die sich von Skandinavien nach Süden bewegten, und das Wasser abgeflossen war, belebte sich unsere Gegend mit Pflanzen und Tieren. Als die Lebensbedingungen besser wurden, siedelten sich auch Menschen an. Höhlen und Erdgruben, die Schutz gegen Unwetter und wilde Tiere boten, waren gesuchte Wohnstätten unserer Vorfahren. Aus Steinen fertigten sie sich Waffen zum Kampf gegen wilde Tiere und Feinde an. 7Urnen, Steinbeile, Knochen und Pfeilspitzen fand man im Steinkistengrab am Altenrheiner Bahnhof, in der Nähe der heutigen Firma Wessels. Dieses Grab wird auf die Zeit um 2000 vor Christus datiert. Damit ist belegt, dass in der Jungsteinzeit im Schotthock Menschen gelebt haben. Auch Urnen mit Brandbestattung fand man im Schotthock. Die Fundorte im Walshagenpark, am Altenrheiner Bahnhof und an der heutigen Hagenstraße beweisen es. In den vergangenen Jahren hat man viel zu wenig auf Reste aus vorgeschichtlicher Zeit geachtet, die bei Ausgrabungen hätten zutage treten können.

8Unsere Vorfahren, die Germanen, waren in mehrere Stämme aufgeteilt. In unserer Gegend wohnte zurzeit um Christi Geburt der Stamm der Brukterer. Sie zeichneten sich durch große Tapferkeit aus. Im Jahre 6 nach Christus schickte Kaiser Augustus seinen Feldherrn Varus in das Land der Germanen, um sie zu unterwerfen. Er unterdrückte die Germanen durch Steuern, Gerichtssitzungen in römischer Sprache und entehrende Strafen. Da einte Arminius, der Cheruskerfürst, die Brukterer, Cherusker, Marsen und Chatten. Durch diesen Zusammenschluss gelang es ihm, die Römer im Jahre 9 nach Chr. im Teutoburger Wald vernichtend zu schlagen. Die Brukterer zeichneten sich in diesem Kampf durch große Tapferkeit aus. Im Jahre 14 n. Chr. unternahm Germanicus Rachefeldzüge nach Germanien. Durch Streitigkeiten innerhalb der germanischen Stämme konnte er die Brukterer besiegen und ihnen den Stander der XVIII. Legion wieder abnehmen, den die Brukterer den Römern in der Schlacht im Teutoburger Wald entrissen hatten.

Im folgenden Jahr sandte Augustus seinen Unterfeldherrn Caecina mit 4 Legionen in das Land der Brukterer. Unterhalb von Rheine, im Gebiet des heutigen Schotthocks und Bentlages, trafen sich Germanicus und Caecina und zogen von da in das Bruktererland, um es zu beherrschen. Die Kämpfe tobten hin und her, wobei keiner der Parteien einen großen Vorteil erringen konnte. Kaiser Tiberius rief seine beiden Feldherren nach Rom zurück; die Römer gaben es endgültig auf, Germanien zu unterwerfen. Ob in dieser Zeit Menschen im Schotthock gelebt haben, ist nicht genau nachzuweisen.

Die Marsen und andere Stämme zogen sich gegen Westen über den Rhein zurück. Sie schlossen sich zum Völkerbund der Franken zusammen. Die Brukterer und andere Germanenstämme behielten ihre Wohnsitze in unserer Gegend. Mit einem von Norden vordringenden Volke, das nach dem von ihm getragenen kurzen Schwert, dem Sachs, benannt wurde, verbanden sie sich zum Stamm der Sachsen. Sehr lange führten Sachsen und Franken Krieg miteinander. Es war das Bestreben der Franken, deren König Chlodwig zum Christentum übergetreten war, benachbarte Völker zu unterwerfen und den Christenglauben bei ihnen einzuführen. Die Sachsen behaupteten ihre Freiheit und ihre alte Kultur den Franken gegenüber. Sie lebten von der Jagd und dem Krieg, betrieben Ackerbau und Viehzucht. Von der Religion der verhassten Franken wollten sie nichts wissen. Unverständlich war ihnen der Kreuzestod Christi, das Verbot von Rache und das Gebot der Feindesliebe.

Vergeblich waren die Predigten der beiden Ewalde. Die Missionare wurden von den Sachsen ermordet. Erst Karl dem Großen gelang es in einem 30jährigen Ringen, die Sachsen zu unterwerfen und sie zur Annahme des Christentums zu zwingen. Im Jahre 785 ließ sich der Anführer der Sachsen, Widukind, taufen. Viele fränkische Offiziere und Soldaten durften sich, zur Belohnung für ihre Teilnahme an den Feldzügen gegen die Sachsen, in unserem Land ansiedeln.

9Zwei fränkische Soldaten siedelten sich auch im Schotthock an: Welschehagen (daraus wurde Walshagen) und Woleschenhus (später Welschemeyer). „Welsche" waren die Fremden, die sich im Sachsenlande ansiedelten.

Diese beiden Höfe werden ihren Ursprung zur Zeit Karls des Großen gehabt haben. Zu dieser Zeit müssen aber im Schotthock schon Menschen gelebt haben, sonst könnten die Einheimischen die Fremden nicht „Welsche" genannt haben.

Zur Ausbreitung des Christentums sandte Karl der Große christliche Glaubensboten in unsere Heimat. Unter ihnen war der Friese Ludgerus (Luidger). Ludgerus wurde 744 in Dokkum/Friesland (Niederlande) geboren. Er studierte in Utrecht und England und fiel Karl dem Großen durch Wort und Schrift auf. Karl beauftragte ihn, die heidnischen Sachsen mehr durch christliche Liebe und Milde als durch die Macht des Schwertes zu bekehren. Ludgerus wurde später Bischof von Mimigernefort (Münster). Im Jahre 809 brach er in der Nähe von Billerbeck zusammen; in der Kirche des Klosters Werden liegt er begraben.

10Im Jahre 838 schenkte Kaiser Ludwig der Fromme die im Gau Bursibant auf dem Hofgute Reni an der Ems erbaute Kirche nebst den dazugehörigen zehnten Gütern und Eigenhörigen dem Benediktinerstift Herford. Dazu gehörten auch die zur Pfärrstelle Rheine gehörigen Bauerschaften, wie der Schotthock. Dieser Ortsteil war ein sehr kleines Kirchspiel und hatte etwa 5% Anteil an der Gesamtbevölkerung der Kirchspiele von Rheine. Über die Zeit von 850 bis 1350 ist sehr wenig in Büchern festgehalten. Die Bewohner des Schotthocks werden in dieser Zeit mühsam ihre Äcker bestellt und von der Viehzucht in den Einswäldern gelebt haben.

Da der Schotthock im Wesentlichen ein Moor- und Sumpfgebiet war, werden die Bauern nur auf den höher gelegenen Sandhügeln ihr Getreide ausgesät haben. Der Buchweizen wurde in die noch warme Asche der abgebrannten Heide eingesät Die Häuser bestanden aus wildgeschlagenen und unbearbeiteten Holzgerippen mit eingeflochtenem Weidenreisig. Die Zwischenräume wurden dann mit Lehm verschmiert. Einen Kamin gab es noch nicht. Der Rauch blieb im Haus, räucherte das Fleisch und vertrieb die Insekten. Der Wohnraum der Menschen war von den Stallungen der Tiere kaum getrennt. Man lebte in einer Gemeinschaft mit dem Vieh.

Die ersten konkreten Aufzeichnungen über die Bewohner des Schotthocks gibt es in einer 11Urkunde von 1362. Dort wird ein Hof beschrieben, „dat Vryenhus van Astorpe"; es liegt nahe der Brücke am Mühlendamm. Der nächstliegende Bauer ist Schröder, am Anfang des Kreyenesches. Auf der Leibzucht (Altenteil) dieses Hofes lebte „Gerdes Moder". Es könnte durchaus der Bauer Vrylink gewesen sein, der in einer 12Markenrolle des Jahres 1469 erwähnt wird. 131480 erscheint ein Vrylink und Wernekenhus in der Chronik des Klosters Bentlage, in der es heißt, dass die Höfe einen Zehnten an das Kloster zahlen mussten. Außer Vrylink und Wernekenhus erscheinen in der Markenrolle noch Kosterhus, Woleschenerwe, Welschehagen, Krainefeld und Monike Kranikfeld.

In der Zeit von 1469 bis 1560 muss im Schotthock eine schwere Epidemie oder Pest geherrscht haben. Fast alle Höfe sind verlassen und haben keinen Besitzer. Nur die Höfe Austrup und Veltmann sind bewirtschaftet, wie auf der Urkunde zwei Seiten vorher zu ersehen ist. Auch Eschendorf ist stark dezimiert, nur noch neun Höfe sind bewirtschaftet.

Die Bauern des Schotthocks hatten zu jener Zeit nur wenig Kontakt zu den Bauern in den anderen Kirchspielen. Nur am Sonntag, zum Kirchgang, trafen sich alle in der Stadt und tauschten Erfahrungen aus, wobei alles Neue sehr skeptisch angegangen wurde. Das hat sich bis in die heutige Zeit nicht geändert; „Wat de Bur nich kennt, dat frett hee nick", sagt ein altes Sprichwort.

Genaue Aufzeichnungen über den Schotthock finden wir erst 141790 wieder. Inzwischen waren viele Kriege, Hungersnöte und die Pest durch unser Gebiet gestrichen und hatten die Einwohnerzahl des Schotthocks nicht wachsen lassen. Erst als das Heuerlingswesen einen enormen Zuwachs nahm, wurde auch die Einwohnerzahl im Schotthock größer. In dem Familienverzeichnis von 1790 befinden sich allein im Schotthock 9 Heuerlinge. Diese Heuerlinge waren sehr arm und mussten ihren Grundherren Abgaben und Arbeitsdienste leisten. Erst bei der Markenteilung im Jahre 1845 konnten einige Heuerlinge Land dazukaufen und somit ohne Abgaben mit Fleiß und Ausdauer ein einigermaßen ausreichendes Dasein fristen.

Im Jahre 1790 gibt es im Schotthock 2 Zeller, (so nannte man größere Bauernhöfe) 8 Kötter und 5 Pachthöfe des Klosters Bentlage; sie liegen auf der Hovesaat. In einer der ersten Karten vom Schotthock von 15Le Coq (1800) kann man einige Höfe mit ihren Kämpen gut sehen.

Die wichtigste Straße ist die Heerstraße, die von der Einsfurt über die Walshagenstrasse führte, auf dem Gebiet des heutigen Schlachthofes bei Bauer Scheipers auskam und auf den Lingener Damm führte. Diese Straße war die Hauptader zum Emsland. Später, als die Trassenführung etwas anders verlief, wurde eine 16Straßenzollstation, beim jetzigen Gehöft Göcking, am Lingener Damm, errichtet. Erst 1898 wurde eine Straße zum Schotthock gebaut, der Speller Damm. Er zweigte vom Lingener Damm in Höhe des Ehrenmals ab, lief hinter dem Bauern Kreimeyer her und mündete in Höhe der Staufenstraße auf die Bonifatiusstraße (früher Speller Damm). Diese Straße ging durch bis Spelle, da der Kanal nicht vorhanden war.

Einen gewaltigen Umbruch erlebte der Schotthock, als im Jahre 1896 der Kanal gebaut wurde. Viele Bauern konnten ihre Spanndienste anbieten und somit einen kleinen Nebenerwerb erzielen.

Als im Jahre 1899 die erste Spinnerei, später die erste Weberei auf Walshagen errichtet wurde, erlebte die Bauernschaft Schotthock einen ungeahnten Aufschwung. Zwar standen die Bauern der industriellen Entwicklung skeptisch gegenüber, aber bald merkten sie, dass ihr karger Sandboden enorm im Preis stieg. Sie verkauften zum Teil ihren Grund an die Rheiner Textilfabriken und kamen somit zu einem nicht vorauszusehenden Geldsegen. Doch nicht nur die Textilfabriken benötigten Grundstücke, sondern auch für die von den Arbeitern benötigten Werkswohnungen musste Land verkauft werden. In den Jahren 1905/06 entstand „Kümpersdorf', und schon im Jahre 1898 war auf dem Esch (Kuba) der erste Teil der Werkswohnungen errichtet worden.

Als die Schüsse von Sarajevo den ersten Weltkrieg auslösten, erlebte die aufstrebende Textilindustrie einen großen Schock, und für die Arbeiter begann eine Notzeit. Zwar wurde der Schotthock vom Kriege selbst nicht betroffen, aber Hunger und Entbehrungen kennzeichneten die Kriegsjahre, und etwa 80 Männer kehrten aus dem Kriege nicht mehr zurück.

Nach dem Kriege war es schwer, wieder einen neuen Anfang zu finden. Die Textilfabriken hatten keine Rohware, die sie verarbeiten konnten. Nur langsam normalisierte sich das Leben, und die Menschen im Schotthock packten wieder ihr „Kaffee-Düpken" und Butterbrot zusammen, um „up Kuba" oder später „bie Söhne" in Altenrheine ihre Arbeit zu tun. Mit Fleiß und Ausdauer arbeiteten sie sich durch die „Goldenen zwanziger Jahre". So goldig waren diese aber gar nicht. Denn als im Jahre 1929 die Börse in New York zusammenbrach, hatte das auch für die Arbeiter im Schotthock finanzielle Folgen. Wenn die meisten nicht ihr Schweinchen im Stall gehabt hätten, dann hätte „Schmalhans" bei ihnen als Küchenchef regiert.

Nachdem auch diese Krise überwunden war, traten so langsam die ersten „braunen Wölkchen" am Himmel auf, die das „Dritte Reich" ankündigten. Nach einigen Jahren wurde schon wieder zu den Waffen gerufen, und ein wahrer Weltenbrand kündigte sich an. Auch der Schotthock wurde von ihm ergriffen:

17Zahllose Bomben fielen auf sein Gebiet. Als im Januar 1945 die Firma Hermann Kümpers bombardiert wurde, fielen auf das Gelände zwischen Kuba und Bauer Haslöver allein 35 Bomben. Ein Blindgänger landete genau zwischen Haslöver und Berghaus. Auch die Firma Hermann Kümpers selbst wurde schwer getroffen. Die Produktion musste teilweise eingestellt werden. Die Werke von CKS wurden am 04.01.1944 und am 21.03.1945 angegriffen. Der Schaden war auch hier sehr groß. Außerdem fielen noch Bomben auf verschiedene Straßen und Häuser, z.B. ging eine Luftmine an der Dorfstraße nieder, und mehrere Bomben fielen an der Bergstraße/Piusstraße. Wer könnte die Luftwamsender „Primadonna" lind „Rheinsalm" vergessen, die den Leuten des Schotthocks und auch im Stadtgebiet verkünden ließen: „Vor der holländischen Küste sammeln sich schwere Bomberverbände!" Dann wurden die Papiere im Kinderwagen oder im Rucksack verstaut, und ab ging es in die „Stadtstannen", wo mit Sand überdeckte Unterstände aus Holz gebaut waren. Auch ein Unterstand in der Wallhecke am ehemaligen BV-Sportplatz wurde aufgesucht. Als Ostern 1945 die Engländer in den Schotthock einmarschierten, waren die meisten Bewohner froh, dass die Kampfhandlungen vorbei waren.

Trotzdem war das Leben anfangs aber noch schwer, denn es fehlte an allem, vor allen Dingen an Brennmaterial. Ein ganzer Wald würde auf dem Gelände, wo heute die Firma Wessels liegt, abgeholzt, und der Förster des Klosters Bentlage wurde tätlich angegriffen, als er die Bäume seines Grundherrn schützen wollte.

Aber was wiegt der materielle Schaden gegenüber den Menschenleben! Die traurige Bilanz war, dass etwa 300 Männer des Schotthocks von den Schlachtfeldern aus Ost und West, Nord und Süd nicht wieder heimkehrten! Einige Familien hatten drei oder vier Söhne oder den Vater verloren. Viele Schotthocker waren auch in Gefangenschaft geraten und standen ihren Familien in der schweren Nachkriegszeit nicht zur Verfügung.

Die Menschen des Schotthocks aber überstanden auch diese Zeit. Damit es manchmal etwas Fleisch gab, wurde so manches Schwein „schwarz" geschlachtet. Auch hierbei wurde die Nachbarschaft zum wichtigen Partner der Menschen; denn obwohl man bei einer Schwarzschlachtung das Verwursten straßenweit riechen konnte, wurde dennoch niemand wegen Schwarzschlachtens angezeigt. Auch wird vom „Schwarzbrennen" gesprochen, und wie ich gehört habe, soll sogar zweimal eine Destillation explodiert sein.18

Nachdem dann 1948 die DM eingeführt worden war, normalisierte sich das Leben, und im Jahre 1952 wurden im Textilbereich schon wieder zwei Drittel der Vorkriegsproduktion erreicht.

 

Quellennachweis

  1. Greiwe, Franz: Das Amt Rheine, Seite 21, 1974
  2. Stadtarchiv Rheine
  3. Vollmer, Heinrich: Stadt und Amt Rheine, Seite 39, 1903
  4. Kolck, Franz: 75 Jahre Männerschützenverein Schotthock, 1988
  5. Niemeyer, Josef: Werksbote Walshagen, Nr. 12, 1951
  6. Aussagen Hermann Roskam und Josef Niemeyer
  7. Greiwe, Franz: Das Amt Rheine, Seite 48-49, 1974
  8. Kolck, Franz: 75 Jahre Männerschützenverein Schotthock, 1988
  9. Stadtarchiv Rheine, Schenkungsurkunde 838
  10. Greiwe, Franz: Das Amt Rheine, Seite 58, 1974
  11. Greiwe, Franz: Das Amt Rheine, Seite 482, 1974
  12. Stadtarchiv, Cop. Bentlage
  13. Greiwe, Franz: Das Amt Rheine, Seite 488, 1974
  14. Kartenmaterial Stadtarchiv
  15. Aussage von Franz Göcking, Rheine
  16. Aussage von Frau Haslöver, Rheine
  17. Aussage von mehreren Kümpersdorfern

 

WEITER: Die Bevölkerungsentwicklung im Schotthock